Standpunkte

Blicken wir nach vorne!

Ursula Schneider Schüttel
Nationalrätin, Mitglied Politikerteam FUTURE

«Ich beschäftige mich nicht mit dem, was getan worden ist. Mich interessiert, was getan werden muss!» Dieses Zitat stammt von der berühmten Naturwissenschaftlerin Marie Skłodowska-Curie. Ihre Worte sind Zeichen ihres unbändigen Willens, nach vorne zu blicken und mit Forschung die Zukunft zu gestalten. An die Zukunft denken sollte auch die Politik, wenn es um die Rahmenbedingungen für Bildung, Forschung und Innovation (BFI) in der Schweiz geht.

Das eidgenössische Parlament bewies im Jahr 2016 Weitsicht, als es im Rahmen der BFI-Botschaft 2017-2020 zusätzliche Investitionen beschloss. Der Fokus lag auf der Ausbildung von Nachwuchs für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft und der Stärkung der Innovationskraft in vielversprechenden Forschungszweigen. Doch heute – drei Jahre später – ist das Parlament im Voranschlag 2020 zum wiederholten Mal mit Sparmassnahmen im BFI-Bereich konfrontiert. Mit Kürzungen der finanziellen Mittel bremst der Bundesrat die Pläne des Parlaments und erschwert die Zielerreichung der BFI-Akteure.

2020 ist ein Schlüsseljahr! Das letzte Jahr der aktuellen Förderperiode ist die Grundlage, auf der das neue Parlament aufbauen und die Schwerpunkte im Rahmen der BFI-Botschaft 2021-2024 festlegen kann. Wenn wir im Voranschlag 2020 über die beantragten Kompromisse bei der BFI-Finanzierung entscheiden, gilt es also den Blick nach vorne zu richten.

Seilziehen um die BFI-Finanzierung

Anita Fetz
Ständerätin, Vorstandsmitglied Politikerteam FUTURE

Wie gross ist das Vertrauen in unser System von Bildung, Forschung und Innovation (BFI)? In der endenden Legislatur standen sich im Bundesparlament zwei Lager gegenüber: Die eine Seite vertraut auf das System und fordert dessen Ausbau; die andere Seite zweifelt die Effizienz der BFI-Finanzierung immer wieder an. Auch in der aktuellen Herbstsession werden die Räte über Vorstösse aus beiden Lagern entscheiden. So gleicht die aktuelle BFI-Finanzierung einem Seilziehen zwischen Aufstockungen und Kürzungen der finanziellen Mittel.

Dabei drohen die Fakten vergessen zu gehen. Denn viele Indikatoren zeigen, dass unser BFI-System gut funktioniert. Die Schweizer Hochschulen zählen in allen Rankings zu den besten der Welt, ihre Absolvierenden sind auf dem Arbeitsmarkt gefragter denn je und seit Jahren ist unser Land die Nummer eins der Innovation. Auch unser Berufsbildungssystem ist zu einem Exportschlager geworden.

In den kommenden Jahren steht der BFI-Standort vor enormen Herausforderungen: Digitaler Wandel, Fachkräftemangel und die technischen Herausforderungen des Klimawandels sind nur einige Stichworte. Darum sollten wir auf unser starkes BFI-System vertrauen, anstatt unsere Energie in einem kräfteraubenden Seilziehen zu verschwenden. Vielmehr müssen wir alle am gleichen Strick ziehen, um die Herausforderungen erfolgreich meistern können.

Europa ist ein unverzichtbarer Partner

Isabelle Chevalley
Nationalrätin, Mitglied Politikerteam FUTURE

Im Bereich der Forschung ist nicht Europa unsere Konkurrenz, sondern die USA und Asien. In diesem Kontext sind unsere Beziehungen zur EU von zentraler Bedeutung. Die Schweiz war schon immer eine tragende Säule des europäischen Forschungsraums. Denken wir an das CERN, an die Europäische Südsternwarte (ESO) oder an die Europäische Weltraumorganisation (ESA), bei denen die Schweiz zu den Gründungsmitgliedern zählt.

Im Falle eines Ausschlusses aus den europäischen Forschungsprogrammen wäre die Schweiz weitaus weniger attraktiv für globale Talente. Auch unsere Wirtschaft würde die Folgen rasch zu spüren bekommen: Die Abwanderung der besten Köpfe würde unweigerlich unsere Wettbewerbsfähigkeit schwächen und hätte einen Verlust von innovativen Unternehmen sowie geringere Investitionen zur Folge.
 
Horizon 2020 ist das grösste Forschungsprogramm der Welt, das ausschliesslich auf wissenschaftlicher Exzellenz basiert. In der Schweiz stammt etwa jeder dritte Franken aus der kompetitiven Forschungsförderung von der EU. Bei der Vergabe der prestigeträchtigen Förderungen des Europäischen Forschungsrats schneiden die Schweizer Hochschulen regelmässig sehr gut ab. Europa ist ein wichtiger Wirtschaftspartner der Schweiz. Aber Europa ist ebenso ein zentraler Partner für die Forschung. Wir müssen verhindern, dass politische Auseinandersetzungen einen Bereich gefährden, von dem alle profitieren.
 

Forschung im Dienst der Gesundheit von Mensch und Tier

Michael O. Hengartner
Präsident swissuniversities

Die eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» stellt radikale Forderungen: Sie will Forschung mit Tier- und Menschenversuchen generell verbieten, Tierversuche unter Strafe stellen und die Einfuhr von Produkten, für deren Entwicklung Tier- und Menschenversuche direkt oder indirekt durchgeführt werden, verbieten.

Was steht mit dieser Initiative auf dem Spiel? Die Gesundheit von Menschen und Tieren in der Schweiz, denn sie könnten künftig nicht mehr von den dank der Forschung entwickelten Behandlungsmethoden und Medikamenten profitieren. Heute können aufgrund der Fortschritte in der Human- und Tiermedizin immer mehr Krankheiten geheilt, Leiden gelindert und Leben gerettet werden.

Die Initiative stellt auch die heutigen gesetzlichen Grundlagen, ethischen Prinzipien und Kontrollinstanzen in Frage. Das Tierschutzgesetz (TSchG) und das Bundesgesetz über die Forschung am Menschen (HFG) gehören zu den strengsten der Welt. Die Schweiz verfügt heute über hervorragende Forschungsinstitutionen. Sie stellen sicher, dass bei der Entwicklung von Behandlungsmethoden sowohl die hohen gesetzlichen wie auch ethischen Grundsätze der Schweiz respektiert werden. Die Initiative gefährdet nicht nur den Bildungs- und Forschungsstandort Schweiz, sondern unsere Fähigkeit, der schweizerischen Bevölkerung auch in Zukunft die bestmögliche und sichere medizinische Behandlung zur Verfügung zu stellen.

Kein Schnellschuss beim Rahmenabkommen

Christian Wasserfallen
Nationalrat, Präsident Politikerteam FUTURE

Der Entwurf des in­stitutionellen Rah­menabkommens zwi­schen der Schweiz und der Europäischen Union gibt viel zu re­den. Auch der Bereich Bildung, Forschung und Innovation (BFI) rückt ins Zentrum der europapolitischen Debatte. Formal trifft das Abkommen den BFI-Bereich nicht. Aber es ist wahrscheinlich, dass uns die EU mit dem Ausschluss aus ih­ren Forschungsprogrammen drohen wird, um Druck auszuüben und das Rahmen­ abkommen zu erzwingen. Ein Ausschluss hätte verheerende Folgen, wie die Erfah­rungen mit Horizon 2020 nach der Annah­me der Initiative gegen Masseneinwanderung zwischen 2014 und 2016 zeigten.

Stabile Beziehungen mit der EU sind Vo­raussetzung für die Beteiligung unse­rer Wissenschaftler an den grössten For­schungsprojekten des Kontinents. Eine Teilnahme der Schweiz ist auch im Inter­esse der EU, da unsere Hochschulen exzel­lente Qualitäten mitbringen. Aber die Ver­nunft verlangt, einige kritische Punkte des Rahmenabkommens zu klären. Vor allem die neue Guillotine­ Klausel, die dominan­te Stellung des europäischen Gerichtsho­fes und die Frage der Unionsbürgerricht­linie im Sozialbereich sind problematisch.

Die Paraphierung eines unbefriedigen­den Rahmenabkommens könnte die In­teressen des BFI ­Bereichs nicht langfris­tig wahren. Denn letztendlich könnte ein Nein von Volk und Ständen zum Abkom­men den definitiven Ausschluss aus den Forschungsprogrammen zur Folge haben.